Unsere Zeit spiegelt eine Dynamik großer Veränderungen. Wir erleben dies als Krise – eigentlich auf allen Lebensgebieten. Gewaltige Entwicklungsmöglichkeiten können sich daraus eröffnen – wenn wir sie nur erkennen und zu nutzen vermögen.

Gewaltig ist das, was sich da am nahen Horizont auftürmt. Ja, eigentlich nicht nur am Horizont, die Krise ist längst da – nur in ihren unmittelbaren Auswirkungen brodelt es sozusagen noch unter der Erde. Krise bedeutet immer einen Übergang zwischen einem Alten, Bisherigen und einem Zukünftigen, einem Werdenden. Etwas was darauf wartet in die Geburt zu treten. Da entstehen natürlich Spannungen. Die kollektive Krise ist auch eine individuelle Krise. Vom dynamischen Entwicklungsgedanken aus betrachtet, der als Grundmotiv unserer Akademie zugrunde liegt, sind es gerade die sogenannten Schöpferkräfte, also unser Ich, welches sich mutig zu neuen Möglichkeiten sinngestaltend in der Welt aufrichten möchte. Das kostet Mut, eröffnet aber auch ganz neue Entwicklungsräume.

Was braucht also unsere krisenbeladene Zeit? Eine mögliche aber sehr zutreffende Antwort hierauf wäre: Spiritualität. Ja, wirkliche, substanzielle Spiritualität. Was meine ich damit?

Zum einen braucht es gute und tragfähige Inhalte, es braucht wahre und universal gültige Gedanken und Zusammenhänge und Übungsansätze, die den Menschen in seiner Entwicklung zu einer freien und reifer werdenden Persönlichkeit bestmöglich begleiten. Diese Inhalte, die wir aus guten und fundierten geistigen Quellen beziehen, stehen wie eine innerste, wahre Wärmequelle vor dem Menschen. Ich sage hier bewusst: vor dem Menschen, weil sie erst durch den Menschen ergriffen und individualisiert werden müssen. Wir können solch wahre Geistinhalte nicht, wie es unserer gegenwärtigen Zeit entspricht, einfach passiv konsumieren. Es bedarf hierzu lernfreudiger Entwicklungsschritte mit denen wir uns aktiv auf diese wahren und lebendigen Zusammenhänge zubewegen. Es erfordert ein Aktivwerden gerade auch unserer seelischen Kräfte, die wir wie Werkzeuge gebrauchen lernen, um geistige oder universale Inhalte so aufnehmen zu können, dass diese verwandelnd und gestaltend in uns wirksam werden. Sonst bleiben diese fremd, selbst wenn es Wahrheitsgedanken sind, so bedürfen sie eines seelisch-aktiven Verdauungsvorganges der Auseinandersetzung, dass diese zu einer freien, unsere ganze Persönlichkeit durchdringenden Substanz werden.

Es braucht also zum einen bestmögliche Inhalte und Ideale und gleichzeitig den Mut zu einem Ich, diese Inhalte auch aktiv ergreifen und aus diesen das eigene Leben und damit auch die Welt schrittweise und in Freiheit gestalten zu lernen.

Die Krise unserer Zeit drückt sich vielfach durch überfremdende Ideologien aus. Wir spüren meist das Moralisierende was diesen Ideologien anhaftet, es gibt den guten Menschen und auf der anderen Seite den Bösen oder eben denjenigen, der der kollektiv vorgegebenen Ideologie nicht folgt, der es wagt dieser mit einer anderen Haltung entgegen zu treten. Gerade das Moralisierende spiegelt so sehr einen Mangel an wirklicher Moralität, die durch sich selbst freiheitlich und eben substanziell wirkt. Dort wo wirkliche Moralität lebt und wirkt braucht es kein Moralisieren, weder in der Kirche, noch in der Politik. Genau dieses Moralisieren spiegelt als wesentliche Signatur die Verlorenheit und Entfremdung eines innersten Wahrheitsfühlens, welches doch dem Menschen als eine Art innerstes Sinnesorgan gegeben ist. Dadurch ist der Mensch allzu leicht von außen oder eben durch fremde, bspw, kollektive Einflüsse manipulierbar.

An dieser Stelle möchte ich einige Sätze des spirituellen Lehrers und Geistforschers Heinz Grill zitieren, der die Bedeutung einer freien Moralität und Geistigkeit mit der innersten Persönlichkeitsstruktur des Menschen in Verbindung bringt:

Eine wachsende Moralität bildet sich niemals ohne eine ausreichende Selbsterziehung und ohne Hinwendung zu hohen spirituell-geistigen Zielen, denn sie ist nicht ein Phänomen, das sich die menschliche Kreatur erkaufen, passiv erwerben oder im Sinne eines Titels in der Welt geben lassen könnte, sie bildet vielmehr die edelste Urbildekraft des Menschen in seiner tiefsten Persönlichkeitsstruktur, in seinem Willen und sie ist schließlich mit den wertvollsten bleibenden Geistsubstanzen verbunden, die der Mensch über die Pforte des Todes hinausträgt. Moralität ist Seinssubstanz, geistige Kraft, eine unsterbliche und durch Schulung, Disziplin und wiederholte Auseinandersetzung erfahrene Wahrheit, die den Kern der Seele mit feinster Wirklichkeit durchdringt.

(Zitat aus: Meditationsbriefe; Nr. 200)


Wirkliche Moralität steht also mit einem innersten Fühlen gegenüber dem was wir als wahr und richtig erkennen in Verbindung und damit auch mit unserem innersten Wesenskern.

Warum aber haben wir dieses Fühlen gegenüber dem Wahren und Guten so sehr verlernt? Die Not unserer Zeit ist geprägt durch ein Höchstmaß des Konsums, dies leider oft auch auf dem Gebiet der Spiritualität. Dieser Konsum, gerade wenn er so lange im Menschen wirkt und zur Gewohnheit wird macht den Menschen träge, müde und schwach. Er wird bequem und passiv. Seine fühlende Geistmitte zieht sich zurück, der Mensch wird somit immer anfälliger für Fremdes. Er wird manipulierbar. Wenn wir es unmittelbar gegenüberstellen, so steht dieses Konsumprinzip in regelrechtem Gegensatz zum dem aktiven Streben unserer Seele nach aktiver Sinngestaltung im Leben.

Es braucht also gute und wahre Inhalte, die von Menschen ergriffen, ausgestaltet und individualisiert werden, sodass der Mensch dadurch auf freie Weise aufbauend, lebenskräftefördernd und sinngestaltend wirken kann. Das Fremde und Manipulative kann dadurch gar nicht in diesem Sinne an den Menschen herantreten oder in ihn eindringen.

Gerade diese schöpferischen und damit sinngestaltenden Prozesse heranzubilden hat sich unsere Akademie zur Aufgabe gemacht und möchte sie in verschiedensten Lebensbereichen erüben, vertiefen und in das Leben integrieren.

Unsere Zeit braucht mehr denn je den sinnstiftenden, inhaltsgebenden, von fremden Autoritäten freien, schöpferischen und damit auch sozialfähigen Menschen.